Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

City-Center Görlitz

Presse City-Center Görlitz


Bürgerinitiative gegen den Flächenabriß hinter Karstadt/Frauenkirche

(zukünftig City-Center am Frauentor")

Görlitz, den 28.09.00

Kaum ist der "Tag des offenen Denkmals" vorbei, rollen schon die Bagger an und beginnen mit dem Abriß hinter der Frauenkirche, dem letztlich vielleicht das ehrwürdige Wilhelmtheater (zuletzt "Karstadt Technik-Haus") und ein Teil der historischen Bebauung hinter der Post zu Opfer fallen werden.

Legitimiert durch den Einsatz des ehrgeizigen Baubürgermeisters Thoms und nahezu aller Stadträte wird der Investor keinerlei Rücksicht auf die historisch gewachsene Stadt nehmen und uns brutal einen gesichtslosen Betonklotz vorsetzen. Wer noch nicht genügend Phantasie für diese unheilvolle Kooperation von Stadtregierung mit ungeeigneten Investoren hat, möge sich den Trümmerhaufen an der Uferstraße oder den Umbau des ehemaligen Café Fledermaus (Berliner/Ecke Salomonstraße) zu einem langweiligen Billigbau ansehen. Nur, daß das Citycenter nun die bisherigen Abrißdimensionen sprengen wird. Allein der Platz hinter der Post, derzeit noch von einst idyllischen Vorgärten und einer dem Stadtbild angepaßten spätklassizistischen Architektur geprägt, wird bald durch ein fassadenloses Parkhaus mit offenen Parkdecks aufgerissen und entstellt werden. Kein Efeu wird mehr helfen, diese architektonische Sünde schamhaft zu verdecken.

Und das Wilhelmtheater selbst? Von einem der bedeutendsten Architekten der Stadt unter Verwendung älterer Bausubstanz im späten 19. Jahrhundert umgebaut, war dieses einst ein kultureller Mittelpunkt der Stadt.

Behutsam wurde der repräsentative Saal kurz vor der Wende noch restauriert und bis vor kurzer Zeit wirtschaftlich genutzt. In einer Podiumsdiskussion des Deutschlandfunkes vom 15.09.00 äußerte Oberbürgermeister Karbaum, daß dieses "verkommene Gebäude" (zugegeben, die Fassade müßte gestrichen werden!) "bislang völlig ungeachtet" war und von "niemand wahrgenommen" wurde. Verkennt er das Denkmälerbewußtsein der Görlitzer Bevölkerung wirklich so sehr?

Nun, wirtschaftlich notwendig ist das angepriesene City-Center für Görlitz wohl kaum. Angesichts der unübersehbar vielen leerstehenden Läden in der Stadt, allein über 20 sind es auf der Berliner Straße, ist es unsinnig, das wirtschaftliche Seelenheil in einem Citycenter zu sehen. Von dem "Wirtschaftmagneten" wird letztlich nur der Investor selbst profitieren. Längst hat man westlich von Görlitz eingesehen, wie negativ sich die Zentren auf den, und hier in Görlitz besonders darbenden, Einzelhandel auswirken - hier nun kann es für einige Geschäfte der Todesstoß sein. Warum auch ein großes Parkhaus mitten in der Stadt? Allenfalls werden viele das Parkhaus nutzen, um von dort direkt den Bus nach Zgorzelec zu nehmen und dort wesentlich preisgünstiger bei "Real" einkaufen. Was hat damit die Innenstadt gewonnen? Gab es nicht ein durch den Stadtrat verabschiedetes Konzept mit peripheren Parkhäusern, wofür es ausreichend Brachflächen gäbe? Werden etwa hier Konzepte und Bebauungspläne so geändert, wie es abenteuerlichen Investoren gerade gefällt?

Diese in der Stadt in letzter Zeit praktizierte neue Denkmalpflege- und Planungspolitik ist konzeptionelles Denken von Gestern! Dieses wird es in Zukunft lediglich weiteren geldgierigen Investoren leicht machen, historische Bausubstanz für ihre durchaus nicht uneigennützigen Zwecken aus dem Wege zu räumen.

Wer bislang noch berechtigte Hoffnungen hatte, daß Görlitz als eines der ungestörtesten Gesamtensembles Deutschlands Weltkulturerbe auf die Liste der UNESCO kommen würde, wird jetzt bitter enttäuscht werden. Diese Chance wird sicherlich endgültig dahin sein. Und mit dieser "Investition" diskreditiert sich Görlitz nicht nur vor dem denkmalpflegerischen Fachwelt Europas, sondern vor allem auch vor dem touristischen Publikum, das eine der wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt werden könnte.

Wollen Sie als Görlitzer sich das wirklich gefallen lassen? Sehr viele Stimmen haben sich gegen dieses Vorhaben gewandt - und das weit über Görlitz hinaus. Klar haben sich alle informierten Denkmalpfleger zu diesem Vorhaben positioniert: Kein Abbruch, sondern Erhalt und sinnvolle Nutzung der wertvollen Bausubstanz! Lösungen wurden dazu angeboten, aber engstirnig abgelehnt. Fast ist man bereit zu glauben, die politische Existenz von Herrn Oberbürgermeister Karbaum und seinem Baubürgermeister Thoms sei an diese Investition geknüpft. Auch ein großer Teil der Görlitzer selbst scheint dieses unsinnige Bauprojekt abzulehnen, zumindest lassen die Reaktionen in der von den Abrißgegnern erstellten Ausstellung "Denkbar" im Untermarkt 19 darauf schließen.In einer Podiumsdiskussion des Deutschlandsfunkes vom 15.09.00 äußerte Karbaum, daß die Bürgerinitiativen gegen den Abriß eine "durchaus militante Form" haben.

Hat unser OB tatsächlich so wenig Demokratieverständnis? Warum versucht man durch solche Äußerungen eine öffentliche Diskussion zu unterdrücken? Auch die überzogene und lächerliche Reaktion aus dem Rathaus, eine Klageandrohung zum kritischen Brief eines "leichtsinnigen" Görlitzer Studenten läßt nicht gerade auf Gelassenheit schließen. Auch gibt es wohl Stadträte, die ein schlechtes Gewissen - und dazu ebenfalls ein etwas kurioses "Demokratieverständnis" haben, hörte man doch, wie einer dieser fast handgreiflich wurde, als einige beherzte Bürger dieser Stadt Flugblätter gegen den Abriß auf dem Untermarkt austeilten.

Wie mag nun dieser Konflikt ausgehen? Sicher wird der Investor Hand in Hand mit der Stadtverwaltung versuchen, schnellstmöglich Tatsachen zu schaffen und den unliebsamen Zankapfel aus dem Wege räumen - doch gibt es noch ausreichend demokratische Möglichkeiten, sich dem zu widersetzen. Möge man reichlich Gebrauch davon machen!

A. Franke, Görlitz


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