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DIE WELT 27. 10. 2000

Görlitz verspielt sein architektonisches Erbe

Klassizistisches Ensemble vom Abriss bedroht

Von Dankwart Guratzsch

Im September griffen die Rathauspolitiker von Görlitz noch kraftvoll in die Harfe. Zum "Tag des offenen Denkmals 2000" sollten Musiker, Theater- und Tanzgruppen die "ganz besondere Atmosphäre der historischen Altstadt" bespielen. Und der parteilose Oberbürgermeister Rolf Karbaum jubelte vor illustrem Publikum: "Das Görlitzer Stadtbild ist von einer in Deutschland einmaligen Geschlossenheit. Denkmalschutz ist Kulturpflege im besten Sinne." Deutschlands östlichste Stadt war in diesem Jahr ausersehen, die zentrale Eröffnungsveranstaltung des Denkmaltages auszurichten.

Doch kaum ist das Denkmalfest verrauscht, bereitet die Stadtverwaltung nun einen Gewaltakt vor, den die Vorsitzende der "Gesellschaft Historisches Berlin", Annette Ahme, eine "Kulturbarbarei" nennt. Eine ganze Häuserzeile aus dem 19. Jahrhundert mitsamt dem "Wilhelm-Theater", dem "Theater hinter dem Karstadt" und klassizistischen Villen soll abgerissen werden, um einem Einkaufscenter Platz zu machen. Dagegen formiert sich nun massiver Widerstand von Bürgerinitiativen, Architekten und Kunsthistorikern. Schon in den stürmischen Tagen des Herbstes 1989 hatten beherzte Bürger unter der Gefahr, verhaftet zu werden, gegen die Sprengung von Gründerzeithäusern in der Heilig-Grab-Straße revoltiert.

Die Görlitzer Denkmalpflege hat dem neuen Vorhaben bisher die Zustimmung verweigert. Der Görlitzer Einzelhandel in der Innenstadt sieht sich in seiner Existenz bedroht. Die Stadtverordneten dagegen finden das Angebot des Investors verlockend, anstelle der gründerzeitlichen Gebäude einen "Einkaufs-, Dienstleistungs- und Freizeitkomplex" mit rund 13 000 Quadratmetern Geschossfläche zu bauen, dazu ein Parkhaus mit 460 Stellplätzen. Sie erhoffen sich davon eine Belebung der Innenstadt, der sie zuvor mit der Genehmigung von Einkaufscentern auf der "grünen Wiese" selbst das Wasser abgegraben hatten.

Es ist das Dilemma vieler ostdeutscher Städte, die in einem dramatischen Existenzkampf um die Rettung ihrer Innenstädte stehen. In der Vorzeigestadt des Denkmalschutzes Görlitz, die mit Millionensummen gefördert worden ist, um den einzigartigen Denkmalbestand zu retten, erlangt dieses Thema eine besondere Qualität, zumal Baubürgermeister Jörg-Peter Thoms nicht einmal die Notwendigkeit einer qualifizierten Architekturplanung für den Neubaukomplex erkennt.

Ahme appelliert an die Bundesarchitektenkammer und den Bund Deutscher Architekten, der eine spezielle Görlitz-Patenschaft übernommen hat: "Es sollte gerade Ihnen übel aufstoßen, dass hier wertvolle Bausubstanz ohne jede Prüfung von Alternativen und ohne jeden Wettbewerb zum Abriss freigegeben werden soll." Gleichzeitig ruft sie dazu auf, einen Dachverband aller deutschen Bürgerinitiativen zu gründen, die sich für den Erhalt historischer Stadtzentren engagieren. Am Sonntag soll er in Görlitz gegründet werden. Bisher haben rund ein Dutzend Initiativen ihr Interesse bekundet, dabei zu sein, darunter die Gesellschaft "Historischer Neumarkt" aus Dresden und die Görlitzer Bürgerinitiative "gegen den Flächenabriss".


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