Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

City-Center Görlitz

Presse City-Center Görlitz


Sächsische Zeitung, 07./08.10.2000

City-Center

Stadt vergibt sich Trumpf

Verwaltung und Stadtrat setzen sich weiterhin über kritische Stimmen hinweg

Dass Verwaltung und Stadtrat das Wilhelmstheater und angrenzende Gebäude aus dem Flächendenkmal Görlitz reißen wollen, sorgt jetzt verstärkt für Protest über Stadtgrenzen hinaus. Aber die Stadtverwaltung und der Stadtrat setzen sich nach wie vor über die kritischen Stimmen hinweg.

Von Anja Hecking

Wer war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Bei einem 50-Millionen-Mark-Bauvorhaben in der Stadt geht man davon aus, dass sich die Verwaltung vom Flächennutzungsplan und dem Stadtentwicklungskonzept leiten lässt. Dem entsprechend sucht sie nach Interessenten und Konzepten, den besten Ideen, um dem Stadtrat letztendlich einen Vorschlag zur Beschlussfassung vorzulegen.

Eine Interessentensuche, wie sie beim geplanten Bau des Schwimmbades von der Stadtverwaltung praktiziert wird, hat es so für das City-Center nicht gegeben. Baubürgermeister Jörg-Peter Thoms bestätigt gegenüber der SZ, dass der Verwaltung keine weiteren Interessenten bekannt sind. Wie bei der Tiefgarage unterm Wilhelmsplatz geht es zuerst um einen großen Bauauftrag. Doch das Tiefgaragen-Projekt scheiterte am Protest in der Öffentlichkeit und daran, dass nicht klar war, wer investieren und betreiben sollte - eigentlich der wichtigste Punkt: Denn wer viel Geld gibt, will schließlich auch, dass das Vorhaben gut läuft. Wer setzt schon seine Millionen vorsätzlich in den Sand?

Von der Blank-Baugruppe ist erst später die Rede

Als Görlitzer Medien im September 1998 erstmals über ein Großprojekt zwischen Postplatz und Struvestraße berichten, ist von der Blank-Baugruppe aus Forchheim noch gar nicht die Rede. Bernd-Udo Scholz vom Görlitzer Immobilienbüro S & B - das auch die Beckergruppe mit dem Eishallen-Schwimmbad-Projekt nach Görlitz geholt hat - und der Architekt Dr. Michael Langer informieren über das Vorhaben. Es soll das Stadtbild in diesem Bereich aufwerten, die Innenstadt beleben und eine ernstzunehmende Konkurrenz zur grünen Wiese schaffen.

Die steht knapp ein halbes Jahr später mit der geplanten Globus-Ansiedlung im Norden der Stadt vor der Tür. Unter den Händlern der Innenstadt entbrennen heftige Diskussionen. Viele befürchten das Aus für ihre Läden. Doch Globus kommt nicht. Das neue Großprojekt in der Innenstadt nimmt Gestalt an.

Im März 1999 präsentieren Bernd Treptau von der Forchheimer Blank-Baugruppe, Baubürgermeister Jörg-Peter Thoms und der Nürnberger Architekt Wolfgang Loebermann erstmals ein Modell des City-Centers. Ein Bau aus viel Glas, Beton und Stahl, der so gar nicht in das Areal zwischen Postplatz und Stuvestraße passt. Von Anfang an ist klar, dass das Bauunternehmen nicht die historische Bausubstanz erhalten und integrieren, sondern abreißen will. Weil es äußerst schwer sei, in diesen Innenstadtkomplex etwas hineinzubauen, will sich die Stadtverwaltung um eine Abrissgenehmigung bemühen.

Die Kooperativität des Baubürgermeisters und der Verwaltung geht schon bald soweit, dass die sonst so akribisch bei jedem privaten Häuslesanierer auf den Denkmalschutz achtende Behörde hier gleich einen ganzen Baustein aus dem Flächendenkmal rausreißen lassen will. Die Einwände der Denkmalschützer in Görlitz und Dresden werden nicht berücksichtigt und alle Wege des Baurechts von der Verwaltung geebnet.

Verwaltung ändert Flächennutzungsplan

Ende Mai 1999 zum Beispiel stimmt der Stadtrat der Einleitung eines Änderungsverfahrens für den Flächennutzungsplan zu. Das bis dahin auf dem Papier als Mischgebiet für Wohnungen und Gewerbe ausgewiesene Areal wird zum Kerngebiet erklärt. Der Beschluss hat zur Folge, dass die Gebäude wesentlich dichter beieinander stehen dürfen. Die Planung und Realisierung des Vorhabens überlässt die Verwaltung völlig dem Investor, ebenso wie die Auswahl der Mieter, die Beteiligung einheimischer Firmen.

Der erste Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans für das City-Center liegt im April 1999 öffentlich aus. Görlitzer Bürger wie Fachleute geben zu bedenken: Die historische Bausubstanz ist der wichtigste Trumpf der Stadt - wie kann man da abreißen? Außerdem harmoniert das neue City-Center nicht mit dem alten Görlitz. Doch mit dem Argument der Innenstadtbelebung stellen Verwaltung und Stadtrat wirtschaftliche Interessen über die des Denkmalschutzes. Selbst der oberste sächsische Denkmalschützer, Prof. Gerhard Glaser, kann der Stadt nur empfehlen, zwei Villen am Postplatz stehen zu lassen und auch den großen Saal im Wilhelmstheater nicht abzureißen. Letztendlich überlässt das Regierungspräsidium die Abrissgenehmigung der Görlitzer Stadtverwaltung.

Dort liegt sie derzeit in der Schublade, zumindestens, was das Wilhelmstheater und die angrenzenden Gebäude betrifft. Abrissgegner vermuten, dass die Abrissbirne nicht gut zum Denkmalstag und Altstadtfest gepasst hätte. Warum gehen die Verwaltung und der Stadtrat so siegessicher davon aus, dass das neue City-Center auf dem Areal hinter Karstadt mit seiner Architektur funktionieren wird? Die Blank-Baugruppe hat ein vergleichbares Einkaufs- und Freizeitzentrum mit Parkhaus noch nicht gebaut. Beispiele, dass neue Gebäude nicht angenommen werden, weil sie nicht ins Stadtbild passen oder die äußere Hülle nicht mit den Verkaufsangeboten harmoniert, gibt es Görlitz bereits: Man braucht nur an das ehemalige Café Fledermaus auf der Berliner Straße oder an das "Posteck" zu denken. Baukonstruktionen aus Stahl, Beton und Glas sind inzwischen dutzendfach in anderen west- und nach der Wende auch ostdeutschen Städten entstanden. Wirklich bereichern können sie eine alte Stadt wie Görlitz nicht.

Inzwischen haben die Stadträte den vorhabenbezogenen Bebauungsplan beschlossen. Demzufolge müssen laut Baubürgermeister Jörg-Peter-Thoms der Kaufvertrag über das Grundstück, ein Durchführungsvertrag und eine Finanzierungsbestätigung vorliegen. Der SPD-Stadtrat Michael Prochnow sagte jedoch gegenüber der SZ, dass er eine Bankbürgschaft von der Blank-Baugruppe bisher noch nicht gesehen hat. Der für Görlitz zuständige Projektleiter des Unternehmens, Bernd Treptau, ist seit Tagen nicht erreichbar.

Stadträte gehen mit zweierlei Maß ran

Verwunderlich erscheint auch, wie unterschiedlich die Stadträte Bauvorhaben in der Stadt hinterfragen. Die Becker-Unternehmensgruppe, die in Görlitz Millionen in eine Multifunktionshalle mit Schwimmbad und Eishalle investieren und diese betreiben will, wird von der Verwaltung und vor allem der CDU-Fraktion im Stadtrat bis ins Kleinste durchleuchtet, ganz im Gegensatz zur Blank-Baugruppe, die in Görlitz inzwischen mit etlichen Tochterunternehmen aufgetreten ist.

Befangen geben sich im Stadtrat, wenn es ums City-Center geht, lediglich Jochen Nevries und Thomas Leder (beide CDU), weil sie geschäftlich mit dem Vorhaben zu tun haben. Gegen den Satzungsbeschluss zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan gestimmt haben nur Gottfried Semmling (Bündnisgrüne) und Michael Prochnow (SPD).


Wilhelmstheater, Karl-Marx-Klubhaus, Sparkassenfiliale, Karstadt-Technikhaus - das Gebäude hat eine bewegte Geschichte

Endet sie nun im Abriss oder kann der noch verhindert werden?

Foto: SZ/Thomas Fiedler

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