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Kapitalanlagen: Risiko Immobilienfonds

Stuttgarter Nachrichten 04.11.2000

Schlaflose Nächte für Anleger

Berlin - Mit den vielen leer stehenden Wohnungen und Gewerbeobjekten in Ostdeutschland gerät auch mancher geschlossene Immobilienfonds in Schwierigkeiten. Zwar gibt es Pleiten, eine große Welle ist aber nicht in Sicht. Allerdings wirft mancher weniger Gewinn ab als erwartet.

VON DIETER KELLER

Berliner Redaktion

Steuersparen ist eines der Lieblingshobbys der Deutschen. Manchem, der auf scheinbar sichere Tipps vertraut hat, bescheren sie allerdings schlaflose Nächte. So geht es derzeit einigen, die ihr Geld in geschlossene Immobilienfonds mit Anlagen in Ostdeutschland gesteckt haben: Die Geschäftspläne gehen nicht auf, es drohen Pleiten. Das hat nicht zuletzt die Insolvenz von Roland Ernst gezeigt, gegen den gerade Anklage unter anderem wegen Betrugs erhoben wurde. Der Heidelberger Baulöwe war einer der großen Anbieter von Objekten im Osten, und bei der Pleite seiner Firmengruppe wurde manches mitgerissen.

Geschlossene Immobilienfonds sind in der Regel Kommanditgesellschaften (KG). Die Anleger sind die Kommanditisten, ihre Haftung ist beschränkt, und zwar meist auf ihre Einlage, normalerweise mindestens mehrere 10000 DM. Persönlich haftender Gesellschafter, also Komplementär, ist der Fondsinitiator. Da es sich hierbei regelmäßig um GmbHs handelt, die oft mit geringem Eigenkapital ausgestattet sind, ist auch ihre Haftung beschränkt. Kleinere Fonds sind auch als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert, hier haften alle Anleger unbegrenzt, eine besonders riskante Sache.

Der Fonds kauft eine oder mehrere Immobilien. Knackpunkt ist die steuerliche Seite: Bis 1998 gab es für Objekte im Osten eine Sonderabschreibung von 50 Prozent. Dadurch fiel im ersten Jahr auf dem Papier ein hoher Verlust an, den der Anleger bei seiner Einkommensteuer geltend machen konnte. Mancher Großverdiener schaffte es so, gar keine Steuern zu zahlen. Allerdings erkennt dies das Finanzamt nur an, wenn im Lauf der Jahre, sprich auf lange Frist, ein deutlicher Gewinn herauskommt.

"Zu vermieten", diese Schilder in Berlin, Leipzig und ganz Ostdeutschland zeigen das zentrale Problem: In der Einheits-Euphorie wurde vieles gebaut, was sich heute gar nicht oder nur zu deutlich niedrigeren Preisen vermieten lässt, als kalkuliert war. Mit 34 bis 40 DM pro Quadratmeter wurde da teilweise gerechnet, was selbst in Stuttgart illusorisch ist. Damit aber brechen die Rechnungen wie Kartenhäuser zusammen: Den Fonds drohen echte Verluste bis hin zur Pleite, wenn die flüssigen Mittel ausgehen. Geht der Komplementär in Konkurs, sind auch seine Mietgarantien nichts mehr wert.

Derzeit sind Immobilienfonds mit einem Volumen von sechs bis sieben Mrd. DM von der Totalpleite bedroht, schätzt der Bundesverband der Finanzdienstleister. Dennoch will dessen Vizepräsident Manuel Fernandes-Stacke nicht von einer Pleitewelle reden. Schließlich sind nach seinen Rechnungen rund 300 Mrd. DM in Ost-Immobilien geflossen. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnten aber Fonds für 25 bis 30 Mrd. DM Not leidend werden, eine Zahl, für die er noch vor wenigen Jahren ausgelacht wurde.

Die großen Anbieter, meist Töchter der Großbanken, wiegeln ab: Ihre Fonds seien nicht betroffen. Es könne höchstens sein, dass die Verzinsung nur zwei bis drei Prozent erreiche statt der fünf Prozent, die im Verkaufsprospekt standen. Zittern müsse, wer sich den falschen Partner gesucht habe. Denen unterstellen sie gar nicht eine falsche Geschäftspolitik. In der Einheitseuphorie wurden Anfang der 90er Jahre viele Objekte gebaut, die sich heute nicht vermieten lassen.

Gelegentlich waren allerdings auch unseriöse Firmen an Werk. So wurde im Frühjahr der Berliner Baulöwe Jürgen Hanne zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er unter anderem seine Prospekte geschönt hatte. Der Ex-Chef der Berliner Volksbank steht in zwei Wochen wegen des Vorwurfs des Betrugs und der Untreue bei zwei Fonds vor Gericht; Schaden: etwa 130 Mio. DM.

Rund 100000 bis 150000 Anleger haben sich in Ostdeutschland engagiert, schätzt Fernandes-Stacke. Darunter seien nicht nur Großverdiener, sondern auch überraschend viele Ostdeutsche, die Guthaben aus der Währungsumstellung oder Erbschaften anlegen wollten und jetzt sehen, dass der Kapitalismus auch Verlierer kennt.

Für den einen oder anderen tickt noch eine Zeitbombe: Das Finanzamt könnte seine ganzen Verluste noch nach Jahren im Nachhinein aberkennen, wenn sich die Geschäftspläne als völlig illusorisch erweisen. Dann wwürde das Engagement als Liebhaberei eingestuft. Folge: hohe Steuernachzahlungen. Bisher gebe es hierfür allerdings keine Anhaltspunkte, heißt es bei den Fonds. Aus dem Schneider ist in jedem Fall, wer einen endgültigen Steuerbescheid hat. Der Bundesverband Finanzdienstleistungen fordert, die Finanzämter sollten die Ost-Fonds in jedem Fall anerkennen. Schließlich seien die Investitionen in den neuen Ländern politisch dringend erwünscht gewesen.

Die Berichte über Schieflagen sind auch ein Grund dafür, dass das Geschäft mit neuen Immobilienfonds derzeit schlecht läuft.