Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Bodensee-Therme Überlingen

Südkurier 20.06.2000

Taugt die Therme auch zum Schulbad?

Fragen und Antworten aus der Bürgerversammlung zur Therme

Überlingen

(mba) In einem kurzen Block zu Beginn der Bürgerversammlung zur Bodenseetherme auf dem Westbadgelände (siehe Artikel oben) erläuterten Bürgermeister Volkmar Weber, Architekt Rudolf Wienands und die beiden weiteren Bad-Fachleute Siegfried Klotz und Bernd Kannewischer die Planung nochmals (wie berichtet).

Ingenieur Klotz hatte die Finanzierung unabhängig von Wienands durchgerechnet und sagte klipp und klar, dass der Bau für 30 Millionen Mark auch aus seiner Sicht möglich ist. Auf eine Frage aus dem Publikum, was dagegen getan werden, dass die Kosten - wie man das von Bauprojekten kenne - nicht aus dem Ruder laufen, erläuterte Klotz: Fünf Prozent der Gesamtsumme, also 1,5 Millionen Mark, seien als Rückstellung in diesen 30 Millionen Mark bereits eingeplant. Und dann sei es die Aufgabe der Projektsteuerung, für die Klotz selbst im Gespräch ist, eine Kostenentgleisung zu verhindern. Da mit den Handwerkern "Pauschalverträge" abeschlossen würden, gehe er von einer "sehr hohen Kostensicherheit" aus, sagte der Projektsteuerer, der zahlreiche Bäder bereits durch ihre Entstehung begleitete - unter anderem das Bad Dürrheimer "Solemar". Lauter Beifall quittierte seine Zusicherung, "das Bad ist für 30 Millionen in dieser Größe und Qualität baubar".

Was die Therme insgesamt kosten soll, daran hatte Weber nochmals kurz erinnert: Zu den 30 Millionen Mark für den eigentlichen Bau kommen etwa drei Millionen Mark für die Parkplätze und 1,75 Millionen für Wettbewerb und die Vorarbeiten und Vorplanungen, einen Block, den der Fachmann "Preopening" nennt. Für die beschlossene Thermalwasserbohrung sind rund 3,1 Millionen Mark angesetzt. Weber musste zwar einige Fragen zur Finanzierung beantworten und verwies auf die erwarteten Zuschüsse und gesunde Haushaltsüberschüsse. Mit größeren Zweifel an der Bezahlbarkeit der Therme sah er sich indessen an diesem Abend nicht konfrontiert.

Ist auch beim Bau an einem anderen Standort mit Zuschüssen zu rechnen? Eine Frage, die Weber bejahte, allerdings gab er zu bedenken, dass das Land für eine Zuweisung aus der Touristikförderung eben den entsprechenden Wert eines Projektes für den Fremdenverkehr beurteilt. Da dieser an einem seefernen Standort vermutlich geringer wäre, bezweifelte er, dass dann die jetzt gewährte Höchstförderung von fünf Millionen Mark flössen.

"Wir haben das aus unserer Sicht mögliche gemacht. Es muss jeder für sich entscheiden, ob das Bad so monströs ist, wie Sie es darstellen."

Bürgermeister Volkmar Weber verdeutlichte, dass es letztendlich auch um subjektive ästhetische Einschätzungen geht.

Die - auch überraschend - wenigen Wortmeldungen, die sich mit den oft diskutierten grundsätzlichen Bedenken am Standort befassten, konterten Weber und die anderen Fachleute mit dem erneuten Hinweis, dass der Standort direkt am See der einzig richtige sei - denn er sei ja eben das Kapital, mit dem die Stadt wuchern könne. Weber: "Der See und die Hallenbadattraktionen locken gleichermaßen; wo gibt es eine solche Saunalandschaft und ein derartiges Erlebnisbad direkt am Ufer?."

Zwar hatte Architekt Wienands anhand von Fotomontagen gezeigt, dass sich der Baukörper aus seiner Sicht harmonisch in die Landschaft einfügt, und mit seiner Präsentation durchaus Applaus geerntet, doch konnte er manchen Gegner damit nicht überzeugen. Bürgermeister Weber verwies schließlich darauf, dass die kritischen Einwände zur Größe des Baukörpers am Ende nicht diskutabel sondern Einschätzungssache sind. Er sagte einem Bürger: "Wir haben das aus unserer Sicht mögliche gemacht. Es muss jeder für sich entscheiden, ob das Bad so monströs ist, wie Sie es darstellen."

Auch der fließende und ruhende Verkehr, gerade für die Anlieger ein heißes Thema, wurden kühl besprochen. Weber räumte auf Fragen ein: "Die Verkehrsanbindung ist ein wichtiges und diffiziles Thema." Er war sich aber sicher, dass auswärtige Besucher durch ein entsprechendes Leitsystem gesteuert werden können und bei An- und Abfahrt "von und in Richtung Westen" gelenkt werden. Gleichzeitig gab er zu: "Der Insider wird natürlich den direkten Weg fahren." Sachliche Information auch zum Parken. Wo genau ein Parkhaus in welcher Form gebaut wird, sei noch offen, beschrieb er. Aber direkt gegenüber der Therme am Tunneleingang beziehungsweise am Westbad stünde genügend Gelände zur Verfügung, um eine Parklösung für "mindestens 320" Autos zu realisieren. Was Bernd Kannewischer aus seiner langjährigen Bäder-Erfahrung heraus als ausreichend ansah: "Bei rund 800 Besuchern pro Tag halten sich etwa 400 gleichzeitig im Bad auf, dafür genügen 200 bis 300 Parkplätze ." Und auch die innerhalb der Ausschreibung angesprochenen potenziellen Betreiber, so Weber weiter, hielten die Menge der geplanten Parkplätze ebenso ausreichend wie sie einen - eventuellen - 450 Meter langen Fußweg vom Westbahnhof als voll akzeptabel ansähen.

Die grundsätzlichen Bedenken gegen eine Therme auf dem Westbadgelände nahmen in der Bürgerversammlung nicht mehr Raum ein als Detailfragen nach offensichtlichen oder vermeintlichen einzelnen Defiziten - bei gleichzeitiger positiver Grundhaltung zu dem Projekt. Etwa Jens B‚chu, der als Elternvertreter vorrechnete: Die Therme solle bis 10 Uhr dem Unterricht vorbehalten sein, um aber alle Überlinger Schüler an 200 Schultagen zu berücksichtigen, müsste sie fünf Stunden zur Verfügung stehen. Weber sah darin keine Diskrepanz, denn im Sportbecken könnten problemlos zwei Klassen unterrichtet werden. Gleichzeitig ließ B‚chu keinen Zweifel an seiner Pro-Therme Meinung: "Ich finde es gut, dass wir ein Bad bekommen und möchte jetzt schon Frühbucherrabatt für die erste Eintrittskarte anmelden."

Insgesamt spielte die Frage, ob die Therme tatsächlich auch Schulsportgeeignet ist, in der Bürgerversammlung eine Hauptrolle. Gymnasial-Lehrer Heinz Meschede verwies auf das abgerissene Kurmittelhaus, durch das die Stadt Geld einspart, das in die Thermefinanzierung eingerechnet ist. "Sie lassen den Schulschwimmsport sechs Jahre ausfallen, um zugunsten des Spaßbades zu sparen - wie wollen Sie da den Eindruck widerlegen, dass ihnen die Kinder weitgehend egal sind?" Mit dieser zu den wenigen provokanten gehörenden Äußerung erntete der Lehrer zwar auch Beifall, ebenso deutlich war indes ein vielstimmiges und missbilligendes "hohoho" zu hören. Weber verwies gar nicht erst auf die vielfältigen Angebote gerade für Kinder, wie sie Architekt Wienands und Bäderfachmann Bernd Kannewischer zuvor beschrieben hatten. Weber meinte nur: "Wir wollen und können etwas für die Kinder tun."

Auf Meschedes Kritik, ein so weit von den Schulen entferntes "Prachtbad" sei pädagogisch nicht sinnvoll, antwortete der Bürgermeister mit einer Frage nach der Alternative eines klassischen (Schul-)Hallenbades: "Wieso werden diese Bäder nicht mehr gebaut und überall überlegt, ob sie nicht geschlossen werden, weil sie sich nicht rechnen?"

Bernd Kannewischer schilderte aus seiner Erfahrung heraus: "Es gibt Großstädte, die zehn Schul- und zehn Hallenbäder haben und für deren Zusammenlegung kämpfen. Das einzig richtige sei ein öffentliches Bad, das in den schwach besuchten Vormittagszeiten für die Schulen zur Verfügung stehe. Zur Entfernung sagte er: "Ein Busbetrieb ist wesentlich preisgünstiger als getrennte Bäder."

Sachlich gab sich Reinhard Jürß als Sprecher aller Sportlehrer der Beruflichen Schulen. "Wir halten die Therme nur für bedingt schultauglich", charakterisierte er die bestehende Planung. Webers Antwort: "Für mich ist das Bad schultauglich, aber sicher gibt es Bäder, die besser geeignet sind." Er räumte - wie immer wieder in der Diskussion - ein: "Es gibt Nachbesserungsbedarf." Und er sicherte zu: "Wir werden uns mit den Sportlehrern weiter an einen Tisch setzten."