Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

CampusBad Flensburg

Flensburger Tageblatt 30. Mai 2011

Ein Bad, das zu weit weg ist von den Bürgern

Im ersten Jahr fehlt Betreiber Wolfgang Tober ein Drittel der benötigten Badegäste - und die jüngsten Ärgernisse sowie Preiserhöhungen schlagen erst noch zu Buche

Carlo Jolly

Es war vergangene Woche im nichtöffentlichen Teil des Hauptausschusses, als der Tagesordnungspunkt Campusbad aufgerufen wurde: Was die führenden Flensburger Kommunalpolitiker da zu hören bekamen, ließ ihnen das kalte Grausen über den Rücken laufen: Bereits im ersten Jahr fehlt ein Drittel der erwarteten Schwimmgäste - und Betreiber Wolfgang Tober räumt ein, dass er die Zahlen gar nicht erhoben, sondern einfach mal geschätzt hat. Marktanalyse? Fehlanzeige.

So engagiert, wie in der Region vor der Bauentscheidung im Frühjahr 2008 über mögliche Kannibalisierungseffekte vor allem zwischen Flensburg und Glücksburg, aber auch bis nach Leck und zu der noch gar nicht existierenden Schleswiger Therme diskutiert worden war, ist dies mehr als verwunderlich. Es ist geradezu fahrlässig. Alle Kritiker, die auf den womöglich zerstörerischen Wettbewerb Flensburg - Glücksburg, die schwierige Finanzierung und das Buhlen um weitgehend die gleiche Kundschaft aufmerksam gemacht hatten, wurden glatt ignoriert. Dass hier außer einem schönen Sportbad mit 50-Meter-Bahn ganz nebenbei auch noch ein Spaßbad mit großer Rutsche und allerlei Vergnüglichem entstand, wagten Würdenträger nur zu sagen, wenn sie aus Glücksburg und Umgebung kamen.

Problematisch an den nun öffentlich gewordenen Zahlen, die im Spaßbadbereich nicht einmal die Hälfte der Tober-Prognose erreicht haben, ist vor allem eines: Nichts spricht dafür, dass sich die Lage bessern wird. Im Gegenteil: Die rund um den ersten Geburtstag gestrichenen Abend- und Familienrabatte, unnötige Verärgerungen des Publikums wie die illegalen, weil versteckten und nicht ausgewiesenen Überwachungskameras oder die seit Monaten über schlechte Bedingungen klagenden Vereinsschwimmer zeigen, dass das zweite Jahr eher schwieriger werden dürfte als die Startsaison.

Richtig ist, dass Tober beim Familientarif gerade wieder nachgebessert hat. Von 20 über 28 Euro für die vierköpfige Familie ist er nun bei 18 Euro für vier Stunden angekommen - allerdings nur für die dreiköpfiger Rumpffamilie. Herr Tober mag es nicht glauben. In Flensburg gibt es zum Glück noch allerhand Familien, die mehr als ein Kind haben - und die den jüngsten Tarifkniff nicht eben witzig finden werden.

Tatsache ist: Das Cambusbad und sein Betreiberehepaar Tober sind viel zu weit weg von den Flensburgern. Auf dem Weg vom Campus Sandberg in die Stadt scheint Wolfgang Tober die Bürgernähe abhanden gekommen zu sein, die das alte Hallenbad unten an der Bahnhofstraße noch hatte.

Unter die Kategorie "bürgerfern" fällt auch der zentrale Baufehler des gemischten Sport- und Spaßbades: Ausgerechnet, wer mit kleinen Kindern oder anderen Nichtschwimmern kommt, kann von den günstigen Sportbadtarifen gar nicht profitieren, weil der Betreiber das Lehrschwimmbecken nun mal dem Freizeit- und Spaßbereich zugeschlagen hat - eine Katastrophe für viele Flensburger, von denen auch jenseits der 11 000 Hartz-IV-Bezieher viele jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Diesen Knoten müssen Betreiber Tober und sein Vertragspartner, eine Tochterfirma des Bad-Investors Commerzreal, also eine Enkeltochter der Commerzbank, so schnell wie möglich durchschlagen. Vielleicht kann der Investor dann gleich noch ein paar Fragen beantworten: Zu allererst folgende: Wie kann man ein Betreibermodell finanzieren, für das nicht einmal Zahlen seriös erhoben wurden? Ohne würdige Marktanalyse gab es nicht einmal für eine Ich-AG, die einen Hausmeisterservice eröffnen wollte, den Gründerzuschuss.


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