Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Keitum Therme

Presse Keitum Therme, Sylt-Ost (Planung: Uwe Deyle)


Quelle: Sylter Spiegel Online 19.11.2008

"Die machen einen Super-Beton"

Keitum.(cr)

Nicht nur viele Sylt-Oster füllten die Zuschauerreihen im Friesensaal, sondern auch zahlreiche Westerländer Stadtvertreter nutzten die Chance, sich auf der Sylt-Oster Gemeindevertretersitzung über den aktuellen Stand zum Katastrophen-Thema Therme zu informieren.

Rechtsanwalt Dr. Carsten Krage nahm kein Blatt vor den Mund und erklärte klipp und klar, der Thermenbau habe sich ganz anders entwickelt als geplant. Nachdem die Gemeinde beschlossen habe, nicht pausenlos weiter Geld zu zahlen, um Deyles Insolvenz abzuwenden, habe man versucht, mit ihm eine Einigung zu erzielen, was durchaus mühsam war. Beim letzten Treffen am Samstag, 8. November, scheiterten die Verhandlungen vollständig. Auf Seiten von Deyle war weder Verhandlungswille erkennbar noch eine Sachdiskussion möglich.

"Jegliche Einsicht in eine Mitverantwortung fehlte."

Stattdessen erhob er immer wieder die Forderung, die Gemeinde solle Vorabzahlungen leisten, dann könne sie auch bestimmte Unterlagen einsehen. (Im Falle seines Ausstiegs wolle er acht Mio, so ein hartnäckiges Gerücht) Außerdem habe die Betriebs KG der Therme noch hohe Millionenforderungen an die BAM, die man nur einsammeln müsse. Dabei, so Dr. Krage, handele es sich um eine Forderung, die Anfang des Jahres gestellt, aber nicht geltend gemacht wurde. Als die Vertreter der Gemeinde anboten, Deyle dabei zu unterstützen, die Forderungen zu erheben, habe er dies wiederum abgelehnt, was ausgesprochen widersprüchlich sei. Deyle habe die Vorschläge nicht einmal bis zu Ende angehört, sondern vorher den Raum verlassen. Es bleibe ein Rätsel, wieso sich Deyle auf den weiten Weg nach Sylt gemacht habe. Im Übrigen sei auch keine Einsicht über Verbindlichkeiten bei den Kommanditgesellschaftsanteilen möglich gewesen. Vielmehr habe Deyle versucht, Keile zwischen alle handelnden Personen zu treiben. Es habe den Anschein gehabt, als seien ihm, von wem auch immer, Hoffnungen auf eine neue politische Situation gemacht worden. Deyle sei mit Sicherheit kein Partner für eine langfristige auf 20 Jahre angelegte Zusammenarbeit.

Die Möglichkeiten und Risiken weiterer Vorgehensweisen zum Thema Therme zeichnete Dr. Krage eine Stunde lang unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf. Die Westerländer Stadtvertreter durften sich diese Ausführungen als "Sachverständige" anhören. Im erneut öffentlichen Teil ging es dann noch einmal um das leidige Thermen-Desaster. Eigentlich sollte Ex-Bürgermeister Christoph Schmatlochs Verpflichtungserklärung im nicht öffentlichen Teil abgegeben werden. Doch er selbst wollte öffentlich Auskunft darüber geben, warum er in einem Schreiben vom 23. Mai 2008 (direkt vor der Kommunalwahl) ohne Beschluss der Gemeindevertretung eine weitere Mio Euro an Deyle freigab. Zu diesem Zeitpunkt lag, wie Bernd Christensen mehrfach beteuerte, eine mehrseitige Bau-Mängelliste eines Ingenieurbüros vor.

Als jetzt ein Schreiben der Kommunalaufsicht vom 14. Juli 2008 zur Sprache kam, das die Rechtsverbindlichkeit von Schmatlochs Millionen-Zusage bestätigte, meinte der Ex-Bürgermeister, dies könne man nicht öffentlich behandeln. Daraufhin legte Sönke Hansen dar, dass man der von ihm gewünschten Öffentlichkeit den erhellenden Schriftverkehr nicht vorenthalten könne. So blieb dieser Punkt öffentlich. In seiner hastig vorgetragenen und keineswegs nur in der hintersten Reihe schwer verständlichen Erklärung verwies Schmatloch darauf, dass er keine Veranlassung gesehen habe, die Gemeinde einzubinden, da die Summe vertraglich gedeckt gewesen sei. Seine Absichtserklärung sollte vielmehr Schaden von der Gemeinde abwenden, "da durch Herrn Deyle ansonsten ein sofortiger Baustillstand ausgesprochen worden wäre." Mit geradezu irrwitziger Logik erklärte Schmatloch weiter: "Unter meiner Verantwortung ist diese eine Mio Euro nicht aufgenommen worden. Dadurch wurde erreicht, dass der Wert des Gebäudes gestiegen ist, ohne dass die Gemeinde zusätzliche Mittel aufwenden musste." (Der Ex-Bürgermeister wollte sagen, dass diese weitere Mio in seiner Amtszeit nicht bezahlt wurde, aber aufgrund der Zusage weitergebaut wurde. Dies habe den Wert des Rohbaus erhöht, die Red.) Der Kämmerer war an dieser Aktion deshalb nicht beteiligt, so Schmatloch, weil er an diesem Freitag Nachmittag am 23. Mai gegen 15 Uhr außer Dienst war.

Immer wieder betonte Schmatloch, die Mitarbeiter des gutachterlichen Ingenieurbüros hätten viel Zeit auf der Baustelle verbracht und geäußert: "Die machen hier einen Super-Beton." Am Ende plädierte Bürgervorsteher Dirk Ipsen dafür, dass die ganze Angelegenheit noch einmal auf der nächsten Sitzung am 4. Dezember behandelt wird, wenn auch das Schreiben der Kommunalaufsicht vom Oktober 2008 als Tischvorlage parat ist. Darin bestätigt die Husumer Behörde das Dienstvergehen und empfiehlt eine Voruntersuchung. Christoph Schmatloch wünschte die Klärung selbst ausdrücklich. Am 4. Dezember kommt auch das Thema Mülheim-Bebauung noch einmal aufs Tapet.

Keitum-Monopoly

Selige Zeiten, da in Keitum eine neue Orgel oder ein neuer Pastor für Gesprächsstoff sorgten. Seit in dem einstigen Idyll nur noch eine Art Monopoly-Fieber grassiert, verschwenden die Dorfbewohner ihre Zeit und ihr Geld an Investoren. Mit einer Mischung aus Masochismus und Sensationsgier marschieren sie in die Gemeindevertretersitzungen und erleben dort in zähen Stunden, was Brecht im Handumdrehen zu einem Lehrstück des Kapitalismus verarbeitet hätte. Kaum erahnen sie die Millionen, die sie Schwimmbadbauer Deyle für eine Ruine in den Rachen werfen dürfen, da steht die nächste Figur auf der Matte. "Mein Name ist Zech", verkündete sie auf der Sitzung im Friesensaal. Die Differenzen, die Mülheim-Investor und Keitumer hinsichtlich seines Bebauungsquantums haben, werden die Dorfbewohner gleich mal eine sechsstellige Summe kosten. Was muss noch passieren, damit die Insulaner potenziellen Investoren mit größter Vorsicht begegnen? Es sind oft genug verantwortungslose Gesellen, die in der Regel nur eins im Sinn haben: die Insel zu melken. Ausnahmen bestätigen die Regel: Hörnum beispielsweise scheint mit Claudia Ebert Glück zu haben. Ihr liegt offenbar etwas am Einvernehmen mit den Einheimischen.Wenig Distanz zu Investoren ließ Christoph Schmatloch im Falle Mülheim von Anfang an spüren. Kaum hatte die Gemeindevertretung im Dezember 2005 die soziale Nutzung für das Areal aufgegeben, sandte er bekanntlich von seinem Firmenfaxgerät die freudige Nachricht an den potenziellen Investor. Da war das Gemeindeprotokoll noch längst nicht geschrieben. cr

Autor/in: Christiane Retzlaff


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