Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Keitum Therme

Presse Keitum Therme, Sylt-Ost (Planung: Uwe Deyle)


Quelle: Sylter Rundschau 29.01.2008

Geht Keitum mit seiner Therme baden?

Sie sollte im April eröffnet werden, doch daraus wird nichts. Der Bau der Keitum Therme am grünen Kliff auf Sylt ist ein Paradebeispiel, wie schnell eine kleine Gemeinde mit einem Großprojekt überfordert ist.

Urlauber sollen sich verwöhnen lassen, mit Wellnessanwendungen und Beautybehandlungen - so steht es im Tourismuskonzept der Landesregierung. Und darum ist es inzwischen "in", Wohlfühltempel mit Saunalandschaft, Massage- und Kosmetikangeboten dort zu bauen, wo der Norden am schönsten ist. Zum Beispiel in Keitum auf Sylt.

Wo früher die alte Kurverwaltung und ein marodes Freibad waren, steht nach einem Jahr Bauzeit aber nur der Rohbau einer Therme und eines staatlich geförderten Freibads. Ein Mahnmal für überforderte Gemeindevertreter und das Gegenteil von gelungener Tourismusförderung: Nach Prüfungen durch die Investitionsbank des Landes, Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium und die Husumer Kommunalaufsicht sowie Beratung durch den Anwalt Dr. Thomas Ax aus Neckargemünd wurde ein Projekt beschlossen, das mit vermutlich 19 Millionen Euro schon jetzt rund vier Millionen Euro teurer ist als geplant. Möglicherweise wird es erst ein Jahr nach dem ursprünglichen Eröffnungstermin fertig und alle am Bau beteiligten Parteien, vom künftigen Betreiber Uwe Deyle über die Gemeinde bis zur Baufirma "Bam" waren schon mindestens einmal völlig zerstritten. Aber der Reihe nach:

Januar 2007: Landesvater Peter Harry Carstensen lächelt bei der Übergabe eines Förderbescheids über 2,7 Millionen Euro für das neue Freibad mit Sylt-Osts amtierendem Bürgermeister Christoph Schmatloch und Kurdirektor Uwe Winter in die Kameras. Der Abriss der alten Bauten beginnt.

Februar 2007: Den Befürwortern des Projekts bleibt das Lachen im Halse stecken. Gegner grinsen hämisch. Die Arbeiten ruhen, es liegt keine Baugenehmigung vor, entsprechende Unterlagen sind noch nicht mal vollständig eingereicht. Deyle und die Gemeinde schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Die Sylter Wählergemeinschaft WSO, die als einzige Fraktion gegen den "übereilten Vertrag" mit Deyle und die Beratung durch Anwalt Ax war, sieht sich bestätigt. Ebenso die gut 200 Keitumer, die gegen "unkalkulierbare finanzielle Belastungen" und "mindestens 3000 zusätzliche Verkehrsbewegungen pro Tag" in ihrem Dorf protestieren.

Stillstand nach drei Monaten

Auch der Bund der Steuerzahler kritisiert das Public-Private-Partnership-Modell: Denn der Anteil, des künftigen Betreibers Deyle, beträgt "gerade einmal 2,3 Prozent, das heißt 350 000 Euro, der Gesamtkosten". Die Gemeinde dagegen übernimmt - größtenteils auf Pump - 11,4 Millionen Euro. Zweiter Kritikpunkt: Die Therme mache der ebenfalls mit Steuergeldern geförderten Westerländer "Sylter Welle" mit ihren Spaß- und Schwimmbecken, den Saunen, Massage-, Sport- und Physiotherapieangeboten Konkurrenz.

Nach gut drei Monaten Stillstand erfolgt eine Teilbaugenehmigung. Im komplizierten Konstrukt aus Betreiber KG (Deyle) und ausführender Arbeitsgemeinschaft wird gerechnet. Ergebnis: Die Gemeinde soll für die Verzögerung sieben Millionen Euro Schadenersatz aufbringen. Ein Schiedsgerichtsverfahren bleibt ohne Ergebnis. Letztlich einigt man sich darauf, dass die Gemeinde dem Bauunternehmen Forderungen im Wert von 3,7 Millionen Euro abkauft. Ob sie diese je geltend machen kann, ist ungewiss.

Knapp drei Monate vor der ursprünglich geplanten Thermen-Eröffnung steht auf dem Grundstück am Keitumer Watt nur ein Rohbau, das ZDF plant einen Bericht (Rubrik: "Der Hammer der Woche) und das Wirtschaftsministerium verfolgt die Entwicklung "mit Sorge". Wäre es nicht besser gewesen, wenn das Ministerium die ehrenamtlichen Gemeindevertreter vorher über die Risiken dieses Finanzierungsmodells informiert hätte?


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