Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Keitum Therme

Presse Keitum Therme, Sylt-Ost (Planung: Uwe Deyle)


Quelle: Hamburger Abendblatt 01.09.2008

Sylt: Wirtschaftlichkeitsstudie besagt: Ein profitabler Betrieb ist unmöglich

Keitum-Therme: Bauruine in bester Lage

Ob und wann das Bad fertiggestellt wird, ist offen. 10,5 Millionen sind bereits geflossen, doch der Bau ist gestoppt.

Von Elisabeth Jessen

Keitum

Die Bauruine liegt in allerbester Lage. Erik Kennel (54), dem Bürgermeister von Sylt-Ost, versetzt es vermutlich jedes Mal einen heftigen Stich, wenn er an der stillgelegten Baustelle der Keitum-Therme vorbeikommt. 10,5 Millionen hat die Gemeinde in dieser Investitionsruine bereits versenkt, doch davon ist wenig zu sehen. Seit Mitte Juni sind alle Bauarbeiter abgezogen, Gerüste und Baumaschinen wurden abtransportiert. Wann und ob es überhaupt weitergeht, ist völlig offen, denn Ende Juli hat die Gemeinde die Verträge für das Bad gekündigt. Nun sind die Juristen gefragt - die Keitum Therme Sylt-Ost Betriebsgesellschaft mbH und Co. KG (kurz Betriebs KG) des Stuttgarter Planungsbüros Uwe Deyle, das nach einer europaweiten Ausschreibung mit der Errichtung beauftragt worden war, erkennt die Kündigung nicht an. Die Baukosten waren auf 15,5 Millionen veranschlagt. "Es ist jetzt eine juristische Frage, ob die Kündigung wirksam ist", sagt Kennel. Niemand von der Gemeinde könne derzeit die Baustelle betreten, klagt der Kommunalpolitiker, "Deyle sagt, er verbietet uns den Zutritt."

Kennel, Mitglied der Sylter Wählergemeinschaft und, wie er betont, von jeher "als Kritiker der Therme bekannt", übernahm die Geschicke seiner Heimatgemeinde erst nach der Kommunalwahl im Mai und war in Planung und Vertragsgestaltung nicht involviert.

Alles hatte so glanzvoll begonnen. Im Januar 2007 überreichte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen mit großem Tamtam einen Förderbescheid des Landes Schleswig-Holstein. Doch schon bald gab es die ersten Verzögerungen. Die Baugenehmigung des Kreises lag nicht rechtzeitig vor, weil Keitum sich mit der Ausnahmegenehmigung für die Ortsgestaltungssatzung Zeit ließ. "Im Sommer 2007 begannen dann die Bauarbeiten", erzählt der Bürgermeister. Doch die Gemeinde forderte Umplanungen für die Therme. Um die daraus resultierenden Mehrkosten und den verzögerten Baubeginn kam es nach Angaben von Kennel erneut zu Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien. Nach einem außerschiedsgerichtlichen Verfahren bezahlte die Gemeinde zwei Millionen Euro an die Arge Keitum-Therme Sylt, die das Bad im Auftrag der Betriebs KG bauen sollte. "Im Januar 2008 standen wir dann plötzlich ohne Baufirma da", so Kennel. Dies Arge hatte zusätzliche Bürgschaften von der Gemeinde verlangt und nicht bekommen. Auch die nächste Baufirma verabschiedete sich im Frühsommer, weil die Betriebs KG Zahlungen nicht an sie weiterleitete.

Insgesamt flossen bislang 8,5 Millionen für die eigentlichen Bauarbeiten. Doch was in der 1-a-Lage nun dasteht, ist ein Rohbau, dessen Wert Experten nach Angaben von Kennel auf nur 3,5 Millionen Euro einstufen, "eventuelle Baumängel noch nicht abgezogen". Wo das restliche Geld geblieben ist, ist völlig unklar: "Wir haben ja keinen Einblick in die Betriebs KG", klagt Kennel. Er könne einen Rechtsanwalt zitieren, sagt der Bürgermeister, "der hat gesagt, die Verträge sind nicht nur unteroptimal, sondern er hält das Vertragswerk für so schlecht, dass es in Worten gar nicht auszudrücken ist".

Schlecht für die Friesengemeinde ist auch das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Keitum-Therme, die Westerlands Tourismus-Direktor Peter Douven im Auftrag der Gemeinde Sylt-Ost im Einvernehmen mit Westerland durchgeführt hat. Hintergrund: Beide Kommunen fusionieren Anfang 2009 zur Gemeinde "Sylt" und werden auch ihre Betriebe zusammenlegen. Am Donnerstag sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden. Vorab sagte Douven: "Es wäre ein Wunder, wenn ein zweites Projekt plötzlich rentabel wäre." Auch die Sylter Welle in Westerland sei "kein profitabler Betrieb". Ginge es nur nach Wirtschaftlichkeit, "dann würde es heißen: Daumen runter", so Douven.

Doch in Keitum will man sich nicht mit einer Bauruine abfinden. "Wir müssen entscheiden, in welcher Form man sich den Weiterbau der Therme leisten kann und will", sagt Kennel, der hofft, dass bei Deyle wenigstens noch Geld zurückzuholen ist. "Auf jeden Fall ist das Ziel, weiterzubauen, aber es muss bezahlbar sein." Das Planungsbüro Deyle will mit dem Chaosbau offenbar nicht mehr öffentlich in Verbindung gebracht werden - auf der Homepage findet man jedenfalls keine Hinweise mehr auf das Keitumer Pleiteprojekt.

erschienen am 1. September 2008


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