Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Rennsteig-Thermen Oberhof

Presseübersicht Rennsteig-Thermen Oberhof


Quelle: Freies Wort 22.08.2007

TOURISMUS

Wie aus einem Spaßbad ein Ernstfall wurde

Die drohende Insolvenz der Rennsteig-Therme in Oberhof lässt die Debatte über die Erlebnisbäder erneut anschwellen

VON REDAKTIONSMITGLIED EIKE KELLERMANN

Der Insolvenzantrag der Rennsteig-Therme in Oberhof wirft ein Schlaglicht auf die Lage der Thüringer Erlebnisbäder. Rächen sich jetzt die Fehler der Vergangenheit, fragt die Opposition. Kurzfristige Abhilfe stellt die Landesregierung bislang nicht in Aussicht.

ERFURT - In Teistungen im Eichsfeld kann man gepflegt Baden gehen. Aber nicht nur dort. Auch in Mühlhausen, im ostthüringischen Bad Klosterlausnitz, in Tabarz, in Hohenfelden bei Erfurt, in Oberhof. Und die Liste der Thüringer Kur- und Erlebnisbäder ist damit noch lange nicht zu Ende. Kein Wunder, dass der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Kuschel, höhnt: "Gemessen an der Einwohnerzahl und Fläche hat Thüringen die höchste Spaßbaddichte der Bundesrepublik."

Doch aus Spaß ist seit langem Ernst geworden. Das Bad in Teistungen kam schon vor Jahren in finanzielle Untiefen. Beim Tabbs in Tabarz sah es nicht besser aus. Dieses Spaßbad ertrank in den Kosten und musste im Herbst 2002 Insolvenz anmelden. Man kam jedoch mit dem Schrecken davon. Das Bad hat weiterhin geöffnet.

Bange Tage für Fans und Mitarbeiter der Rennsteig-Therme

Nun erwischte es die Rennsteig-Therme in Oberhof. Eine Oase für Touristen und Einheimische, wenn mal wieder das Wetter so ist wie diesen Sommer. Doch ausgerechnet das Wetter ist eine Ursache für die drohende Zahlungsunfähigkeit. "Der schlechte Winter hat uns die Luft genommen für den Weiterbetrieb", sagt Geschäftsführer Bernd Wernicke. Am Skihang tummelten sich zu wenige Gäste, die es sich anschließend zum Après-Ski in der Therme hätten gut gehen lassen. Bis Jahresende erwartet Wernicke ein Defizit von einer halben Million Euro. Ein Betrag, den die Stadt Oberhof als Eigentümer nicht mehr tragen kann oder will.

Bange Tage sind das nicht nur für die Fans der Therme, die den Wasserspaß vorerst weiter anbietet, sondern vor allem für die rund 40 Mitarbeiter. Gerade sie hoffen inständig darauf, dass der vom Gericht beauftragte Erfurter Rechtsanwalt Andreas Schafft einen Rettungsplan erarbeitet. In drei Wochen soll er sein Gutachten vorlegen. Vielleicht hat er die Idee, wie man den Vergnügungsdampfer wieder flott bekommt. Für die Tourismus-Region wäre es eine Katastrophe, wenn er unterginge.

Gerade in einer Urlauber-Hochburg wie Oberhof mit 500 000 Übernachtungen pro Jahr wird ein solches Freizeitvergnügen gebraucht. Aber die drohende Insolvenz lässt die Debatte auch generell wieder anschwellen. Hat es der Freistaat mit seiner Spaß(bad)kultur in den 1990er Jahren übertrieben? "Nicht erst mit der Insolvenz der Rennsteig-Therme in Oberhof ist klar, dass die Spaßbäderpolitik der CDU in Thüringen gescheitert ist", sagt Linksfraktionär Kuschel. Und die SPD-Tourismuspolitikerin Sabine Doht schimpfte schon vor zwei Jahren im Landtag: "Die Erlebnisbäder graben sich sozusagen gegenseitig das Wasser ab." Bereits seit dem Jahr 2000, fügte sie an, seien der Landesregierung "finanzielle Probleme mit steigender Tendenz für die Bäder Oberhof, Tabarz, Teistungen, Bad Frankenhausen bekannt".

Finanzielle Probleme, die eine Folge geringer Auslastung sind. Ob die Besucherzahlen vor Baubeginn zu großzügig prognostiziert wurden oder ob sich die Bäder gegenseitig kannibalisierten, ist nun müßig zu diskutieren. Fakt ist, dass Oberhof bei seinem Start vor elf Jahren mit 800 Gästen am Tag rechnete. Im vorigen Jahr planschten jedoch durchschnittlich nur 360 Gäste in der Therme. Dazu stiegen die Energiekosten wie die Werra bei Dauerregen. Die Ausgaben für Wärme und Strom sind inzwischen höher als für Personal. Zu allem Unglück könnte es nun auch mit der Reparatur der Anlagen losgehen, an denen seit elf Jahren nichts erneuert wurde.

Opposition kritisiert fehlendes Konzept

Das alles ist längst bekannt. Wie warnte doch die SPD-Politikerin Doht vor zwei Jahren: "Die meisten Thüringer Erlebnisbäder können heute noch nicht einmal ihre Betriebskosten erwirtschaften, aber schon gar keine Rücklagen für neue Investitionen bilden." Dass sich die Opposition immer wieder auf das Thema stürzt, hat mit den Beihilfen des Landes für den Bau der Spaßbäder zu tun. Private Investoren dürfen ihr Geld versenken, wie es ihnen beliebt; staatlich geförderte Investitionen stehen dagegen unter Dauerbeobachtung. Aus gutem Grund: Immer wieder wird Steuergeld in einer Weise aus dem Fenster geworfen, wie es privaten Unternehmern nur bei Strafe des Untergangs in den Sinn käme.

Unter der Ägide des damaligen Wirtschaftsminister Franz Schuster (CDU) schüttete der Freistaat nach Angaben von Doht fast 100 Millionen Euro über den 19 Kur- und Erlebnisbädern aus, acht seien mit großen Summen bezuschusst worden. Selbst als die Überkapazitäten deutlich erkennbar waren, habe es von Schuster noch Fördermittel für Rudolstadt und Hohenfelden gegeben. "Welches Konzept für die Förderung von Spaßbädern hat denn die Landesregierung", fragte der Linkspartei-Politiker Werner Buse vor einem Jahr im Landtag, als die Debatte mal wieder hoch schwappte. Und antwortete gleich selbst: "Sie hatte keins. Die Dinger wurden hingeknallt nach Gutdünken."

Für seinen Fraktionskollegen André Blechschmidt ist das ein "unangemessener, unverhältnismäßiger und vielleicht sogar verschwenderischer Umgang mit Steuermitteln". Die regelmäßig wiederkehrenden Debatten nerven Schusters Nachfolger Jürgen Reinholz gewaltig, weshalb der CDU-Minister öffentlich maulte: "Diese ewige Diskussion zu den Spaßbädern - wir haben sie nun einmal, ich kann es auch nicht ändern." Man müsse sehen, "dass wir das Beste daraus machen".

Hilfe des Landes für Oberhof wird geprüft

Doch offenbar weiß niemand so recht, was jetzt das Beste wäre. Die Linkspartei ruft nach Landeszuschüssen für den Betrieb. Der neue tourismuspolitische Sprecher der SPD, Rolf Baumann, sieht das Land dagegen vor allem als Berater gefordert. Schließlich hätten damals auch die Kommunen enormen Druck ausgeübt, um bloß nicht spaßbadfreie Zone zu werden. Das Wirtschaftsministerium teilte derweil mit, dass es keine Möglichkeit habe, den laufenden Betrieb zu bezuschussen.

Gleichwohl wird verhandelt. Der Ernstfall, zu dem das Spaßbad in Oberhof geworden ist, kann dem Land nicht gleichgültig sein. Nicht auszudenken, wenn einem der bekanntesten Thüringer Orte eine solche Attraktion verloren ginge. Der 1600-Seelen-Ort, der eine Infrastruktur wie eine Kleinstadt vorhalten muss, hängt seit langem am Landestropf. Allein in den beiden vergangenen Jahren bekam die Stadt fast 3,4 Millionen Euro aus dem so genannten Landesausgleichsstock. Sprudelt diese Quelle nun auch für die Therme? "Oberhof ist mit Vertretern des Landes in Verhandlung", sagt Michael Koch, Sprecher des Innenministeriums. "Ob es eine Hilfe des Landes gibt, ist offen und wird geprüft."


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