Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Erlebnisbad Käpt'n Nemo in Seiffen

Presse Erlebnisbad Käpt'n Nemo Seiffen


Westfälische Rundschau 15.01.2001

Ex-Bürgermeister will es erneut wissen

Hilchenbach/Seiffen. Der Lichterglanz ist erloschen; das Spielzeugstädtchen im Erzgebirge erwartet der graue Alltag - und wohl auch manche Turbulenz. Denn 2001 ist auch ein Wahljahr.

Wer die Geschicke des Ortes nach der Wahl führen wird, ist mehr als offen in der unübersichtlich gewordenen politischen Konstellation, in der CDU, Unabhängige und FDP größere Rollen spielen, aber keine Mehrheit haben. Klar aber ist jetzt schon, wer wieder an die Spitze kommen will: Johannes Glöckner, 1999 suspendierter Bürgermeister, bewirbt sich als Parteiloser um die Wählergunst. Und Kenner der Seiffener Szene glauben, dass er in dem Kurort durchaus eine Chance hat - jetzt erst recht.

Im Seiffener Rathaus führt bereits der zweite Zwangsverwalter die Geschäfte, seit dem Bürgermeister wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten die weitere Amtsführung untersagt wurde. Fördermittel von Bund und EU wurden nicht für die Bewilligungszwecke verwendet, sondern flossen in Wohnräume und Geschäfte. Die Verwaltung ließ Mehrkosten von über 70 Projekten zu, ohne den Rat zu beteiligen. Etwa 30 Millionen Mark wird die Gemeinde an staatlichen Mitteln zurückzahlen müssen. Und dann passierte die Sache mit dem Freizeitbad, das ebenfalls rund 30 Millionen Mark kostete. Die ursprünglich private Betriebsgesellschaft, in der sich neben dem Bürgermeister auch weitere Ratsmitglieder engagierten, ging in Konkurs. Nun führt die Gemeinde selbst das Bad und hat zeitweise Mühe, überhaupt Löhne zu bezahlen. Statt - wie vorhergesagt - Kosten deckend zu arbeiten, fährt die Einrichtung jedes Jahr eine Million Mark Defizit ein.

Hilchenbachs CDU-Chef Wolfgang Ruth, der zu den Initiatoren der Städtepartnerschaft zwischen Hilchenbach und Seiffen gehört, versteht, warum viele Seiffener ihren Bürgermeister verteidigen: Schließlich habe sich der Tourismus des Ortes steil nach oben entwickelt, das Geschäftsleben floriert, und den vielen Handwerkern, die zusammen mit ihrem Kollegen Glöckner den Ort regieren, geht es ja auch nicht schlecht. Tatsächlich, so glaubt Ruth, wurde "Gutgläubigkeit missbraucht" - Gutgläubigkeit der Seiffener, denen überzogene Investitionen "mehr oder weniger aufgeschwatzt" worden seien.

Dass in unmittelbarer Nähe der tschechischen Grenze ein weiteres Erlebnisbad bei 15 Mark Eintrittspreis nicht florieren würde, hätte zumindest die sächsische Landesregierung wissen müssen, findet Ruth. In Dresden liege denn auch "ein Großteil der Schuld" an der Seiffener Misere, meint der CDU-Politiker, dessen Parteifreunde in Seiffen längst von einer weiteren "Eskalation" der Stimmung berichten. Dabei scheinen es nicht nur zu großzügige Zuschüsse und eher sparsam ausgeübte Kommunalaufsicht zu sein, die Dresden sowie die Bezirkregierung in Chemnitz mit ins Zwielicht geraten lassen. Sondern auch der Umstand, dass den Verdächtigungen keine Konsequenzen folgen: Weder die Disziplinarvorgesetzten noch die ebenfalls ermitteltende Staatsanwaltschaft haben bisher Ergebnisse ihrer Erkundungen bekannt gegeben.

In diesem Jahr wird derZwangsverwalter erst einmal höhere Kommunalsteuern vorschlagen. Der nächste Gemeinderat wird dann den nächsten Kampf ausfechten - um das Kurort-Prädikat, das bis 2004 befristet ist.


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