Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

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Thermenlandschaft enorm in Bewegung

Bäder wachsen im Nordosten wie Pilze aus dem Boden - Neubrandenburg derzeit Schlußlicht

Von unserem Redaktionsmitglied Kerstin Pöller

Neubrandenburg. Dass nordöstlich der Bundeshauptstadt Berlin derzeit fast in jedem Monat eine neue Therme öffnet, stört die Macher in Neubrandenburg nicht. "Die kommen uns nicht in die Quere, die sind vom Investor berücksichtigt worden", meint ein immer noch optimistischer Oberbürgermeister Gerd zu Jeddeloh (parteilos).

So öffnete gestern das größte Bad des Nordostens, der "Hansedom" in Stralsund; ab kommender Woche lädt die "Bade-Oase" in Güstrow ein. Vor einem Monat gerade gab es den ersten Ansturm auf die Therme im brandenburgischen Schwedt, die Plantsche in Templin an der südlichen Landesgrenze zum Mecklenburgischen erwartet Mitte kommenden Jahres ihre ersten Gäste. Auch der Badespaß in Göhren-Lebbin (Müritzkreis) nimmt täglich erkennbarere Strukturen an und Pasewalk im Uecker-Randow-Kreis hat vorgestern auch endlich den Startschuss geben können für die Sanierung des 50-Meter-Freibeckens und den Bau eines "Erlebnisteils".

Indes sind erste Badeland-Bauchschmerzen spürbar: Seit vor Wochen die Therme mit Sportschwimmbecken in Greifswald öffnete, muss sich das - auch gerade zwei Jahre alte - Röbeler Müritzbad zur Decke strecken. Dort gingen seitdem die Besucherzahlen merklich zurück.

Schwenk zum Sport

Auch im Wirtschaftsministerium gab es dieser Tage einen Schwenk: Man rang sich zu der Erkenntnis durch, "dass es jetzt wichtiger wird, Sportschwimmbecken zu errichten." Der Landesschwimmverband hatte das lange gefordert, weil immer weniger Kinder in Mecklenburg-Vorpommern des Schwimmens mächtig seien. Der private Bauherr für Neubrandenburg bekomme aber die versprochenen rund 23 Spaßbad-Fördermillionen Mark noch, hieß es aus dem Ministerium.

Von den zwölf seit der Wende vom Schweriner Wirtschaftsministerium genehmigten und für förderfähig befundenen Spaßbädern ist das Neubrandenburger inzwischen als Schlußlicht durchgereicht. Und das, obwohl fertige Baupläne von Firmen der Stadt bereits 1992 vorlagen. Als klar war, dass das Ministerium Fördermittel nur an Privatleute vergeben wollte, suchte Neubrandenburg händeringend nach einem Investor. "Das Land entschied zugunsten des Düsseldorfers Warias", erinnert sich Stadtwerkechef Jürgen Zenke.

Seit 1995 veranstaltete der Düsseldorfer mit dem Oberbürgermeister ein regelrechtes Tauziehen um die Verträge. Als Warias vor der parlamentarischen Sommerpause dieses Jahres den Stadtverordneten die Pistole auf die Brust setzte, stimmten diese unter anderem für jährliche Finanzspritzen für den Breitensport in der Therme.

Derzeit wird im Rathaus der Viertorestadt gerade der Bauantrag des Düsseldorfers Ulrich Warias bearbeitet. Dabei hatte eigentlich der Projektplan "Viertoretherme" von Mai 1999 für den November dieses Jahres bereits die Auftragsvergabe-Verhandlungen vorgesehen. Und Mitte Dezember sollte der Rohbau beginnen. Aber wie gesagt, so schnell läuft es in der Viertorestadt nicht. Wie Warias gestern Abend gegenüber unserer Zeitung bestätigte, soll aber noch vor dem Weihnachtsfest die Baugenehmigung erteilt werden. Am kommenden Montag werde das Modell des Vorhabens fertig. Im Maßstab 1:100 seien eine einzigartige Sauna, dazu Fitness- und Gymnastikbereich erkennbar. (Übrigens in dieser Kombination zum vierten Mal in Neubrandenburg: Im Jahnsportforum der Stadt gibt es sie bereits, im Stadtringtreff werden kommende Woche die ersten Fitnessstudio- und Saunagänger schwitzen und in der Oststadt wächst ein ähnliches Projekt eines Studio-Inhabers bereits sichtbar.)

Was die Brodaer Therme von den anderen unterscheiden soll, ist das Bad mit italienischem Flair (wir berichteten). Eine Rutschenlandschaft auf Felsen soll vor allem den Kindern Spaß bringen. Im kommenden Februar solle der erste Spatenstich stattfinden und Anfang 2001 angebadet werden. "Ich denke, das Vorhaben läuft", bestätigt auch Stadtwerkechef Jürgen Zenke. Seines Wissens haben inzwischen auch bereits neue Investoren nach Broda gefragt. So unter anderem für eine Tauchschule, eine Tennishalle...

Irrweg eines Briefes

"Ein Bad mit diesem Status - dafür sehe ich eine schlechte Zukunft", so die Neubrandenburger Sprecherin des nicht beachteten Konkurrenten von Investor Warias gegenüber unserer Zeitung. Hans-Joachim Eisele aus Nürnberg hatte sich im Frühjahr bei der Stadt gemeldet und eine wesentlich kostengünstigere Variante des Bäderbaus angeboten - er erhielt bis heute nicht mal ein Antwortschreiben. "Die Stadt nimmt dem Investor so gut wie alle unternehmerischen Risiken ab", kritisiert er. (Nordkurier-Recherchen ergaben übrigens, dass sein Brief an den Oberbürgermeister von selbigem an die Stadtwerke und von denen wegen "Nichtzuständigkeit" an Investor Warias weitergegeben wurde.)

Eckdaten des Stralsunder "Hansedoms"

l Baukosten: 140 Millionen Mark, davon 60 Millionen vom Land

l Größe: Die 13 Hektar große Wasser- und Sportlandschaft übertrifft in Ausmaßen, der Vielfalt und dem Aufwand alle bisher in Deutschland gebauten Pool-, Saunen- und Sporthallenkomplexe. 1075 Quadratmeter Wasserfläche, sechs Becken, unzählige Whirlpools, 100 Meter lange, mit Musik ausgestattete Rutschröhren, Wildwasserbach

l Preise: zwei Stunden in der Wasserlandschaft für Erwachsene 15 Mark, für Kinder zehn Mark, Tageskarten 21 Mark

l Sportbad und Mehrzweckhalle von der Stadt für Schul- und Vereinssport angemietet, Dorinth-Hotel mit 114 Zimmern angeschlossen

Hundert Meter lang sind die mit Musik ausgestatteten Rutschenröhren im Riesigen Badkomplex "Hansedom" in Stralsund. Foto: J. Koehler

01.12.1999 © Nordkurier-Online 1999


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