Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Saunatherme / Schwimmbad Ludwigsfelde

Quelle: Märkische Allgemeine 25.07.2006

Poker um die Bad-Millionen Ludwigsfelde: Immer neue Ungereimtheiten bei Finanzierung der Kristalltherme / Scholl tagt mit Ältestenrat

JUTTA ABROMEIT

LUDWIGSFELDE Die Ruhe trügt. Selten herrschte in Ludwigsfelde während einer Sommerpause so viel Aufregung: Welche Rechnungen für das Karfreitag eröffnete Bad sind pünktlich bezahlt, welche nicht, welche Rechnungen sind berechtigt, welche nicht, was wurde oder wird von der Stadt oder Bad-Betreiber Heinz Steinhart eingeklagt? Wie viel Geld ist dort an der Fichtestraße verbaut - die ursprünglich vereinbarten 15,5 Millionen, 20 oder noch mehr? Wie hoch wird das 2007 erwartete 30-Millionen-Defizit der Stadt noch, die vor wenigen Jahren als "reichste" in Brandenburg galt?

Von all dem, was sich zwischen Rathaus und Kommunalaufsicht, Kristallbad-Chef und Auftragnehmern, zwischen Subunternehmen und Anwälten abspielt, wissen nur wenige Stadtverordnete. Zu den kaum bekannten Fakten gehört der Stundungsantrag des Badbetreibers - rund 230000 Euro für Bauzinsen und Vorfinanzierung zwischen Januar und März dieses Jahres. Dieser Antrag soll in der ersten nichtöffentlichen Sitzung nach der Sommerpause behandelt werden. Inzwischen hat auch Steinhart, wie er im MAZ-Gespräch erklärte, Klage gegen die Stadt eingereicht, um seine Hälfte der Stromanschlusskosten wiederzubekommen. Wie in "Stromkrieg an der Fichtestraße" berichtet sehen sich sowohl die Stadt als auch Steinhart nicht für die 164000 Euro zuständig. Man hatte die vorläufige Bezahlung je zur Hälfte und gegenseitiges Einklagen vereinbart, um den Badbau nach dem harten Winter nicht noch mehr als drei Monate zu verzögern.

Tage vor der Sommerpause gestanden die Stadtverordneten weitere 1,9 Millionen Euro netto für das Bad zu; allerdings trotzten sie dem Bürgermeister ab, dieses Geld einzuklagen, zahlt es die Schwimm- und Gesundheitscenter Ludwigsfelde GmbH (SGCL, Geschäftsführer Heinz Steinhart) der Stadt nicht wie vereinbart zurück.

Zu den offenen Fragen gehört nicht nur, wer letztlich seinen Segen gab, das Bad zwei- statt wie geplant eingeschossig zu bauen. Offen ist auch, ob Bürgermeister Heinrich Scholl (SPD) berechtigt war, einem Subunternehmer der Deutschen Edelstein Gesellschaft (DEG) praktisch eine Bürgschaft zu geben. Die DEG - Geschäftsführer Heinz Steinhart - bekam den Zuschlag für die Aufträge in Baulos 4 (Innenausstattung und Außenanlagen). Ein Subunternehmer wollte von Steinhart eine Sicherheit, bekam sie nicht und wandte sich an die Stadt, weil man Herrn Steinhart nicht traue, wie es gegenüber der MAZ hieß. Es ging um einen Auftrag von knapp einer halben Million Euro. Beim MAZ-Anruf fehlten dem Subunternehmer noch 21000 Euro.

Unklar ist auch, warum die Stadt gerade das vierte Baulos bereits in voller Höhe an die DEG bezahlte, ohne dass alle Arbeiten fertig sind, wie an den noch nicht vollendeten Parkplätzen zu sehen.

Die so genannte Beitrittserklärung vom 26. Oktober 2005 liegt der Redaktion vor. Heinrich Scholl sagt dazu: "Da Vereinbarungen zwischen Vertragspartnern nach der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg stets schutzwürdig gegenüber Dritten sind, darf ich als Bürgermeister mich dazu nicht öffentlich äußern." Die MAZ wollte von unabhängiger Seite wissen, ob diese Erklärung, wie von zwei Insidern vermutet, strafrechtlich relevant sei und erkundigte sich bei Klaus Herrmann. Der Anwalt arbeitet in der auf Verwaltungsrecht spezialisierten Potsdamer Kanzlei Dombert und sagt: "Eine solche Beitrittserklärung darf der Bürgermeister allein und ohne Mitunterzeichnung vom Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung und ohne Landrat abgeben, wenn es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt und die Folgen einer solchen Erklärung sachlich und finanziell wenig erheblich sind. Das zu klären ist Aufgabe des Landrats, der umfassende Befugnisse hat, die Verfahrensabläufe und Handlungen der städtischen Amtsträger zu prüfen und zu bewerten. Er hat sicherzustellen, dass die Stadtverwaltung im Einklang mit den Gesetzen geführt wird."

Weitere Ungereimtheit: Warum bezahlte die SGCL auch 1,25 Millionen Euro an die DEG, obwohl die Stadt die kompletten 6,7 Millionen Pauschalpreis für Baulos 4 bereits an die DEG zahlte? Nach Auffassung eines MAZ-Informanten werde die Stadt so um diese Million geprellt.

Jetzt hat Scholl die Fraktionschefs, den Ältestenrat, für 1. August eingeladen. Sie sollen hören, warum Heinz Steinhart der Stadt nun droht, weitere sechs Millionen Euro einzuklagen. So viel Geld mehr als der Festpreis von 15,5 Millionen Euro netto ist Steinharts Meinung nach für das zwölfte Projekt seiner deutschlandweiten Kristallbäderkette in Ludwigsfelde verbaut. Ob das tatsächlich so ist, weiß niemand. Die von den Stadtverordneten Ende März in Auftrag gegebene Begutachtung zur Bauabnahme war halbherzig, das Geld dafür gaben sie nicht frei. So fehlt das Gutachten bis heute. Dagegen prüft die Stadt derzeit den Verkauf von 626 unsanierten Wohnungen, um ihr Haushaltsloch zu stopfen. Alle freiwilligen Leistungen wie Bibliothek, Sportstätten, Musikschule, Zuschüsse für Frauenhaus, Vereine und Sozialprojekte werden seit zwei Jahren geprüft und gekürzt. Nach bisheriger Information signalisierten Stadtverordnete aus zwei der fünf Fraktionen im Stadtparlament, sie seien bereit, für das Abwenden der Sechs-Millionen-Klage auf den von Steinhart vorgeschlagenen außergerichtlichen Vergleich einzugehen. Der wurde beim Treff von Bürgermeister, Bad-Betreiber und Kämmerer im Gesprächsprotokoll (liegt der MAZ vor) festgehalten. Der Vergleich sieht auch vor, dass die Stadt in einen Leasingvertrag der SGCL zum Bau eines Blockheizkraftwerkes für 750000 Euro eintritt, im "Fall dr Nichtzahlung der Leasingraten durch die SGCL".

Warum wird die Bad-Finanzierung plötzlich laufend nachgebessert, obwohl sich Heinz Steinhart noch am 30. März 2006 schriftlich zum Festpreis-Bau bekannte? Auf die Frage, ob die Kämmerei versagte, erklärt Scholl: "Grundlage der Finanzkalkulation und des Wirtschaftlichkeitsvergleiches waren die finanziellen Parameter aus dem beschlossenen Pachtvertrag sowie das Gutachten der beauftragten Wirtschaftsprüfungskanzlei. Finanzielle Veränderungen nach dem Vertragsabschluss gab es durch den Wegbruch der eingeplanten Fördermittel der Bundesagentur für Arbeit sowie aus der Tatsache, dass der Vertragspartner derzeit die vertragliche Festpreisgarantie gegenüber der Stadt nicht einhält. Etwaige, endgültig bei der Stadt verbleibende Kostenüberschreitungen, die über diesen Festpreis hinausgehen, können erst nach abschließender Klärung dieser derzeit streitigen Fragen beziffert werden." Und das heißt: Entweder die Stadt geht auf Steinharts Forderungen ein, oder Rechtsstreitigkeiten dauern womöglich Jahre. Steinharts oft wiederholtes Argument: "Die Stadt hat mit dem Bad mehr bekommen, sie ist damit reicher."

Kämmerer Frank Gerhard (SPD), der das Finanzierungskonzept des Bades mit dem Bürgermeister noch vor anderthalb Jahren verteidigte - nachzulesen in wenigstens zwei MAZ-Interviews - sagt heute dieser Zeitung: "Ich bin inzwischen überzeugt, Herr Steinhart ist angetreten, die Stadt zu übervorteilen."

Einer - manchmal der einzige -, der mit Protokollierung seiner Gegenstimme von Anfang an an dieser Finanzierung zweifelte, ist Stadtverordneter Michael Winkelmann (SPD). Er wandte sich in seiner Verzweiflung über die Talfahrt des Stadthaushalts nach der unteren Kommunalaufsicht bereits mehrfach auch an die obere, zuletzt direkt an Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Am Ende dieses Briefes heißt es "...die Stadt hat keine Mittel mehr, um diese Mehrbelastungen ausgleichen zu können" oder "...werden wir unseren Bürgern erklären müssen, warum wir ein wichtiges Stück Daseinsvorsorge preisgeben werden". Den erbetenen Rat bekam Winkelmann nicht. Im Antwortschreiben aus dem Innenministerium (liegt der MAZ vor) heißt der letzte Satz der Bearbeiterin: "Ich bitte Sie daher nochmals, diese Fragen mit der Stadtverwaltung und ggf. mit der unteren Kommunalaufsicht zu klären."

Deren Chef ist Landrat Peer Giesecke (SPD). Bisher zog er sich bei Fragen zu Ludwigsfelde auf für seinen Parteikollegen Scholl unverfängliche Formulierungen zurück. 2005 erlaubte die Kommunalaufsicht der Stadt mit zehn Millionen Euro nur halb so viel Kredit wie gewünscht. Jetzt sagt er erstmals öffentlich: "Dieses Bad ist eindeutig an den Interessen der Ludwigsfelder vorbei gebaut. Wir werden als Rechtsaufsicht jetzt tätig, schon weil sich ein Stadtverordneter an uns wandte."

Nicht verschwiegen werden soll hier, dass hinter den Kulissen nicht nur über Scholls Anteil an der finanziellen Misere der Stadt, sondern bereits über einen PlanB für das Bad diskutiert wird. Der sieht vor, die FKK-Saunatherme mit Textilzeiten mittwochs und sonntags umzubauen. Heinz Steinhart hat offenbar davon gehört, "Auffanggesellschaften und so was, alles Quatsch. Das Bad soll laufen wie alle anderen Kristallbäder auch, dann haben alle ihre Freude."