Ferienresorts, Erlebnisbäder, Einkaufszentren - eine Millionen-Abzocke?

Oase Güstrow (Planung: Uwe Deyle)

Presse Oase Güstrow (Planung: Uwe Deyle, Stuttgart)


Auszug aus dem Jahresbericht 2002 des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern

Quelle: http://www.lrh-mv.de/Veroeffentlichungen/jahrb.html

Förderung der Erlebnistherme Güstrow

Die Zuwendungsempfängerin hat dem Wirtschaftsministerium vor dessen Entscheidung, Fördermittel für die Erlebnistherme Güstrow zu bewilligen, Informationen von zentraler Bedeutung vorenthalten. Das Ministerium beabsichtigt, auf die Rückforderung der Zuwendungen zu verzichten.

(163) Die Erlebnistherme Güstrow - ein kombiniertes Freizeit- und Sportbad - wird von der Freizeit- und Immobiliengesellschaft Güstrow mbH (FIG) betrieben. Die FIG ist eine Tochtergesellschaft der im Eigentum der Kommune stehenden Stadtwerke Güstrow GmbH (SWG). Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern hat der FIG für das Projekt Erlebnistherme mit Bescheid vom 15.2.1999 einen Investitionszuschuss in Höhe von rd. 14,04 Mio. DM (rd. 7,18 Mio. €) bewilligt.

(164) Der Landesrechnungshof hat die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums, die Erlebnistherme Güstrow mit Zuwendungen zu fördern, bereits in seinem Jahresbericht 2000 kommentiert (Tzn. 158 - 202). Kritisch anzumerken war aus Sicht des Landesrechnungshofes, dass schon im Zeitpunkt der Erteilung des Zuwendungsbescheids erhebliche Zweifel an der Förderfähigkeit des Vorhabens bestanden. Nach Auffassung des Landesrechnungshofes hatte die FIG gegenüber dem Wirtschaftsministerium unter anderem die dauerhafte Rentabilität der Therme, also die Erwirtschaftung des Kapitaldienstes für das von der FIG aufzunehmende Darlehen sowie einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung aus dem Betriebsergebnis der Therme, nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen.

Der Landesrechnungshof konnte unter anderem feststellen, dass die FIG ein von ihr selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zurückgehalten hatte. Die Experten hatten im Vergleich zu der von der FIG dem Ministerium vorgelegten Prognose deutlich geringere Besucherzahlen und einen niedrigeren durchschnittlich erzielbaren Eintrittspreis ermittelt. Nach Auffassung des Landesrechnungshofes hätte die FIG dem Wirtschaftsministerium das Gutachten zur Kenntnis geben müssen. Die Zurückhaltung dieser förder- bzw. subventionserheblichen Information hätte das Ministerium nachträglich zur Aufhebung seines Förderbescheids vom 5.12.1999 berechtigt (vgl. Jahresbericht 2000, Tz. 201).

(165) Das Wirtschaftsministerium hat die seit der zweiten Jahreshälfte 1998 bekannten Zweifel des Landesrechnungshofes an der Rentabilität der Therme nicht geteilt und seit Ende Dezember 1999 die bewilligten Zuwendungen an die FIG ausgezahlt. Das Ministerium hatte seine Auffassung, die Rentabilität der Erlebnistherme sei in hinreichendem Maße durch die FIG nachgewiesen worden, unter anderem auf einen Vertrag dieser Gesellschaft mit einem Unternehmen aus Süddeutschland über eine Betreiberkooperation vom 8.4.1999 gestützt. Der Abschluss dieses Vertrags war im Zuwendungsbescheid vom 15.2.1999 zur Voraussetzung einer Förderung gemacht worden.

(166) Der Vertrag vom 8.4.1999 über die Betreiberkooperation sieht vor, dass das süddeutsche Unternehmen für ein Honorar von jährlich insgesamt 200.000 DM (102.260 €) die FIG bei dem Betrieb der Therme berät und für Dienstleistungen vor Inbetriebnahme weitere 415.000 DM (212.190 €) erhält. Im Gegenzug verpflichtet sich das süddeutsche Unternehmen, sich am Verlustausgleich der FIG bis zum 31.12.2005 mit jährlich bis zu 400.000 DM (204.520 €) zu beteiligen. Im Ergebnis durfte das Wirtschaftsministerium also davon ausgehen, dass die FIG per Saldo einen Zuschuss des süddeutschen Unternehmens von bis zu 200.000 DM (102.260 €) erhalten würde, sofern Jahresfehlbeträge ausgewiesen werden.

(167) Dem Landesrechnungshof wurde am 25.10.2001 ein Schreiben der SWG vom 19.3.1999 an den süddeutschen Kooperationspartner der FIG zugeleitet. Darin gewährleistet die Muttergesellschaft der FIG für die Laufzeit der Betreiberkooperation, dass die Verlustbeteiligung des süddeutschen Unternehmens einen Betrag von 200.000 DM (102.260 €) jährlich zzgl. MwSt - das ist der Gesamtbetrag des von der FIG zu zahlenden Beratungshonorars - nicht überschreiten werde. Die SWG erklärte ferner, sie werde sicherstellen, dass der Kapitaldienst der FIG einen Betrag von 1,1 Mio. DM (562.400 €) jährlich nicht übersteigen werde bzw. übersteigende Beträge nicht zur Bemessung der Verlustbeteiligung herangezogen werden. Die SWG werde die FIG stets mit einem für die Abdeckung ihrer Verbindlichkeiten hinreichenden Eigenkapital ausstatten.

(168) Im Ergebnis muss die SWG auf Grund der Erklärung vom 19.3.1999 dafür Sorge tragen, dass die Verluste der FIG den Betrag von jährlich 200.000 DM (102.260 €) nicht überschreiten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird durch das Schreiben vom 19.3.1999 die Verpflichtung des süddeutschen Unternehmens aus dem Kooperationsvertrag vom 8.4.1999, sich am Ausgleich eines Jahresfehlbetrags der FIG bis zu einer Höhe von 400.000 DM (204.520 €) zu beteiligen, auf die Hälfte dieses Betrags reduziert.

Das Schreiben der SWG vom 19.3.1999 an das Süddeutsche Unternehmen ist eine geheime und bis vor kurzem von den Geschäftsführungen der SWG und der FIG auch geheim gehaltene Zusatzvereinbarung zum Kooperationsvertrag vom 8.4.1999.

Der Landesrechnungshof schließt daraus, dass der süddeutsche Kooperationspartner der FIG die Verpflichtung zur Beteiligung am Verlustausgleich mit bis zu 400.000 DM (204.520 €) jährlich im Einvernehmen mit den Geschäftsführungen von FIG und SWG nur zum Schein übernommen hat. Bei der FIG ist das Schreiben der SWG vom 19.3.1999 bekannt gewesen. Die Geschäftsführer der SWG waren seinerzeit in Personalunion auch Geschäftsführer der Tochtergesellschaft.

Die Geschäftsführung der FIG wäre in jedem Fall nach Auffassung des Landesrechnungshofes verpflichtet gewesen, dem Wirtschaftsministerium die Erklärung der SWG vom 19.3.1999 zur Kenntnis zu geben. Dieses Schreiben ist eine förder- bzw. subventionserhebliche Tatsache, weil die durch den Kooperationsvertrag übernommene Verpflichtung des süddeutschen Unternehmens, mit jährlich bis zu 400.000 DM (204.520 €) zum Verlustausgleich beizutragen, die Zweifel des Wirtschaftsministeriums an der Rentabilität der Therme und damit der Förderfähigkeit des Projekts ausräumen sollte. Neben dem Gutachten zur Rentabilität der Erlebnistherme hat die Geschäftsführung der FIG dem Wirtschaftsministerium also noch eine zweite Information vorenthalten, die für die Entscheidung des Ministeriums über die Bewilligung und Auszahlung der Zuwendungen von Bedeutung sein musste.

(169) Der Landesrechnungshof ist davon überzeugt, dass das Wirtschaftsministerium in Kenntnis des Schreibens der SWG vom 19.3.1999 von einer Auszahlung der Zuwendung abgesehen hätte. Er hat das Wirtschaftsministerium mit Schreiben vom 25.10.2001 gebeten, die Rückforderung der Zuwendungen für die Erlebnistherme zu prüfen. Zugleich hat der Landesrechnungshof empfohlen, die zuständige Staatsanwaltschaft einzuschalten.

(170) Auf Druck der Stadt Güstrow verzichtete das süddeutsche Unternehmen am 29.11.2001 schriftlich auf seine Rechte aus der geheimen Zusatzvereinbarung mit der SWG vom 19.3.1999. Im Dezember 2001 stellte die Stadt Güstrow Strafanzeige gegen die Verantwortlichen u. a. wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs.

(171) Das Wirtschaftsministerium hat dem Landesrechnungshof am 21.3.2002 mitgeteilt, der Zuwendungsbescheid könne widerrufen werden, weil die FIG die Zusatzvereinbarung vom 19.3.1999 verschwiegen und damit die Auflage nicht erfüllt habe, unverzüglich alle Tatsachen mitzuteilen, die der Bewilligung und dem Belassen der Zuwendung entgegenstünden. Der Widerruf und damit die Rückforderung der Zuwendungen stünden im Ermessen des Ministeriums. Dieses Ermessen könne nur durch einen Verzicht auf Widerruf und Rückforderung sach- und interessengerecht ausgeübt werden. Der wegen geheimen Vorbehalts oder als Scheingeschäft nichtige Kooperationsvertrag vom 8.4.1999 könne von der FIG und dem süddeutschen Unternehmen bestätigt und damit ebenso wie der Zuwendungsbescheid vom 15.2.1999 rückwirkend als von Anfang an wirksam angesehen werden. Die Vertragsparteien seien offenbar auch zur Bestätigung des Kooperationsvertrages bereit. Mit der nachträglichen Heilung des Kooperationsvertrags würde ein Zustand hergestellt werden, der den Anforderungen des Zuwendungsbescheids entspreche. Ein Schaden sei in diesem Fall nicht ersichtlich. Demgegenüber würden der Widerruf und die Rückforderung der Zuwendungen erhebliche negative Auswirkungen auf die FIG, für die geschaffenen Arbeitsplätze und die finanzielle Lage der Stadt Güstrow haben.

(172) Der Landesrechnungshof stimmt mit dem Wirtschaftsministerium darin überein, dass die Entscheidung über die Rückforderung der Zuwendungen jedenfalls im Ergebnis eine Ermessensentscheidung ist. Die Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums vom 21.3.2002 macht aber deutlich, dass das Ministerium den Sachverhalt in zwei entscheidungserheblichen Punkten nicht zutreffend würdigt und mit dem vorgesehenen Verzicht auf die Rückforderung der Zuwendungen sein Ermessen fehlerhaft und damit rechtswidrig ausüben würde.

Das Wirtschaftsministerium verkennt zum einen, dass weder die Verzichtserklärung des süddeutschen Unternehmens vom 29.11.2001 noch eine nachträgliche Bestätigung des Kooperationsvertrags vom 8.4.1999 den Tatbestand des Subventionsbetrugs rückwirkend beseitigen können. Daran können auch vom Ministerium konstruierte juristische Rückwirkungsfiktionen, die an eine noch vorzunehmende Bestätigung des Kooperationsvertrags geknüpft werden, nichts ändern.

Der Landesrechnungshof weist ferner darauf hin, dass der durch diese Straftat erlangte Vermögensvorteil in vollem Umfang der FIG verbleibt, wenn von einer Aufhebung des Zuwendungsbescheids abgesehen wird. Schon aus Gründen der Generalprävention muss vermieden werden, dass landesweit der Eindruck entsteht, ein Subventionsbetrug ziehe allenfalls eine Strafanzeige, aber keine weiteren Sanktionen nach sich.

(173) Der Landesrechnungshof fordert das Wirtschaftsministerium deshalb auf, innerhalb der gesetzlichen Fristen nochmals eine Aufhebung des Zuwendungsbescheids vom 15.2.1999 und die Rückforderung der Zuwendungen für die Erlebnistherme Güstrow zu prüfen. Der Landesrechnungshof erwartet, dass das Wirtschaftsministerium bei Ausübung des Ermessens in seine Abwägung einbezieht, dass ein Vermögensschaden zu Lasten des Landes in Höhe von rd. 14,04 Mio. DM (rd. 7,18 Mio. €) entstanden ist und einer Nachahmung der Tat vorgebeugt werden muss. In diesem Zusammenhang wird das Wirtschaftsministerium auch zu untersuchen haben, inwieweit die finanziellen Verhältnisse der FIG, der SWG und der Stadt Güstrow bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden können.


Presse Oase Güstrow